Slacklinen und seine Entwicklung

Slacklinen ist das Balancieren auf einem dehnbaren Kunstfaserband, das zwischen zwei Punkten fixiert ist. Der Begriff Slackline kommt aus dem Englischen und kann mit "lockeres Band" übersetzt werden. Um die Entstehung des Slacklinens ranken sich zahlreiche Legenden und aus der Sicht ihrer Protagonisten stellt sich die Entwicklung immer ein wenig anders dar. Hier der Versuch einer Zusammenführung.

Seiltanz

Eine immer wiederkehrende Assoziation
"Seiltanz" in Australien

Als der Begriff „Funambulus“ („funis“ = Seil, „ambulare“= gehen) im Jahr 260 v. Chr. aufkam, war das Begehen von Seilen bereits weit verbreitet. So wurden beispielsweise in Asien Seile als Brücken über Schluchten gespannt und begangen. Was wir heute als Schlappseilgehen kennen, ist Jahrhunderte alt, genauso wie sich aus den damals üblichen Seilen aus Naturmaterialien das bekannte Starrseilgehen (Tightrope-Walking) auf fest gespannten Drahtseilen entwickelte. Durch dessen Verlagerung in die Höhe, meist unter die Zirkuskuppel, blieb der Seiltanz allerdings bis heute als wohlbehütete Domäne einer exklusiven Gruppe vorbehalten. Auch wenn auf den ersten Blick die Assoziation zwischen dem Slacklinen und dem Starrseilgehen nahe liegt, so unterscheiden sich die Disziplinen der Äquilibristik doch maßgeblich durch das Laufmedium, dessen Eigenschaften und daraus resultierend die Ausgleichsbewegungen und –ebenen, die zum Einsatz kommen.


Slackchains

Balancieren als Zeitvertreib
Kettensurfen in Göteborg

Die Entwicklung des Slacklinens steht in engem Zusammenhang mit dem legendären „Camp 4“ im Yosemite-Valley und der Kletterszene. Dort wurde bereits in den 1960er Jahren begonnen, zum Zeitvertreib auf Absperrketten zu balancieren. Zwar sind diese im Gegensatz zur heutigen Slackline weder flach noch dynamisch, weisen jedoch einen gewissen Durchhang auf –  daraus resultierte auch ihre Bezeichnung als „Slackchains“. Zudem wurden alte Kletterseile zum Balancieren mit Flaschenzug oder Anhängerkupplungen gespannt, die abgesehen von ihrer seiltypischen runden Form, dem Band sehr ähnliche Dehnungseigenschaften aufweisen. Wie Augenzeugen berichten, gab es dafür zu diesem Zeitpunkt keine Benennung. Spaß an der Bewegung und die positiven Eigenschaften fürs Klettern standen im Vordergrund.


Erfindung des Slacklinens

Adam Grosowsky und Jeff Ellington
Rodeoline aus Schlauchband, Scharnitz 2007

In den frühen 1980er Jahren kam Adam Grosowsky ins "Camp 4" und mit dem dort verbreiteten Balancieren in Berührung. Mit seinem Freund Jeff Ellington experimentierte er in Olympia/Washington zunächst mit Kletterseilen. Dann waren die beiden die ersten, die ein im Kletterbereich verwendetes Schlauchband spannten: Das Slacklinen – wie wir es heute kennen, als Balancieren auf einem dehnbaren, flachen Kunstfaserband –  war geboren. Zum Spannen des Bandes entwickelte Jeff Ellington eine Variante des Flaschenzugs, die sich selbst abklemmt, den „Ellington“ – die ursprüngliche Methode des Spannens von Slacklines, wie sie heute im Camp 4 noch immer angewandt wird und der – wie wir glauben – auch die Zukunft gehört. Die Herkunft der Bezeichnung als „Slackline“ bzw. „Slacklinen“ kann heute nicht mehr auf eine konkrete Person oder einen Zeitpunkt zurückgeführt werden. Er ist allerdings die logische Fortführung von Begriffen wie „Slackchain“ oder „Slackwire“ (wie ihn Grosowsky und Ellington zunächst verwendeten): Der Durchhang blieb („slack“), jedoch das Laufmedium war ein Neues, ein Band („line“).


Die Spire-Line

eine legendenumwobene Highline
 
Highline-Leash, Begehung der Gnifetti-Line

1981 wurden Scott Balcom und Chris Carpenter durch Grosowsky und Ellington inspiriert, die versucht hatten, ein Stahlseil zwischen dem „Lost Arrow Spire“, einem vorgelagerten Felszahn, und der Hauptwand des Massivs im Yosemite-Valley zu begehen. Die Freunde begannen zu trainieren – allerdings nicht für einen Drahtseilakt, sondern für eine „richtige“ Highline aus Bandmaterial. Zur Vorbereitung spannten sie zusammen mit Rob Slater, Scott Balcoms Bruder Ric Phiegh und Chuck „Chongo“ Tucker 1983 die wohl erste dokumentierte Highline entlang einer Freeway-Brücke bei Rose Bowl in  Kalifornien (- „The Arches“ wie sie es nannten). Am 13. Juli 1983 gelang Scott Balcom schließlich nach mehreren Fehlversuchen die Erstbegehung der Spire-Line, gesichert mit einer sogenannten „Highline-Leash“ am Band. Erst 1993 sollte es Darrin Carter als zweitem Slackliner gelingen, die Spire-Line erneut zu begehen, 1995 lief er sie bergab in Richtung Felszahn ohne Sicherung.


Die Slackline-Bewegung

Beginn einer neuen Generation
Slackline-Tools und Dean Potter on line 2007

Grosowsky, Ellington, Balcom und Carpenter sind die Vorreiter einer Slackline-Bewegung, die einige Jahre auf sich warten lässt. Der Sport bleibt lange einer kleinen Gruppe – vor allem den Kletterern in "Camp 4" – vorbehalten. Früh bringen einzelne Kletterer den Sport mit nach Europa, auch nach Deutschland, doch findet das Slacklinen auch hier keine weitere Verbreitung. Erst mit Dean Potter, amerikanischer Extrem-Kletterer und Bergsteiger, der in den frühen 1990er Jahren erstmals über Chuck „Chongo“ Tucker mit dem Slacklinen in Berührung kommt, beginnt ein neuer Abschnitt. Potter taugt durch sein charismatisches Erscheinungsbild und seine Medienpräsenz für viele als Inspiration und löst zugleich mit seinen Free Solo-Begehungen (z.B. Fitzroy, Cerro Torre, Delicate Arch) kontroverse Diskussionen aus. 2003 gelang ihm die Begehung der Spire-Line in beide Richtungen ohne Sicherung, zuletzt sah man ihn "Baselinen", eine Verbindung aus Basejumpen und Free Solo-Highlinen. Er steht am Beginn einer neuen Generation, die Top-Slackliner wie Damian Cooksey und Shawn Synder hervorbringt. Durch spektakuläre Highline-Aktionen gewinnt der Sport öffentliches Interesse. Was für die einen den unmittelbaren Anreiz schafft, macht ihn allerdings für die anderen zugleich erneut zu einer elitären Angelegenheit.


Slackline-Fieber in Europa

Nicht nur Kletterer können Slacklinen
 
Gnifetti-Line 2009

Eine weitere Verbreitung des Sports über „Camp 4“ und die Kletterszene hinaus wird so erst seit 2006 möglich. Inzwischen gibt es überall in Deutschland begeisterte Slackliner. Ausschlaggebend ist hierfür neben der Präsenz in den Medien und der Zusammenführung vereinzelter lokaler Szenen auf den – seit dem von Heinz Zak organisierten 1. Internationalen Slackline-Treffen in Scharnitz – immer zahlreicher werdenden Slackline-Treffen und -Events, die Etablierung verschiedener kompletter Slackline Sets auf dem Markt wie auch das Angebot von Slackline-Kursen. Slackline-Tools hat dazu maßgeblich beigetragen - mit den ersten Slackline-Kursen an der Uni Konstanz, mit optimal aufeinander abgestimmten Slackline-Komplettsets sowie Highline-Aktionen wie der lange Zeit höchsten Highline Europas, der Gnifetti-Line, an der Capanna Regina Margherita (über 4550m). Wir, Slackline-Tools, nehmen die Herausforderung an, die Entwicklung weiterhin positiv zu beeinflussen. Slacklinen ist noch jung – daher: Get on line und schreibt die Geschichte mit!